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Lymphknotenbefall oder nicht?

Grundsätzlich gilt, was man vielleicht auch intuitiv als Laie vermuten würde: Wenn ein Krebs sehr früh erkannt wurde, ist er leichter zu behandeln. Besonders gilt das für bei Diagnosestellung wenig ausgebreitete Krebse, die – soweit man es erkennen kann – nicht in tiefe Gewebsschichten vorgedrungen sind und die nicht in benachbarte Lymphknoten hinein gestreut haben. Wenn aber doch Lymphknoten befallen sind, zeigt diese Tatsache ein erhöhtes Risiko an, dass es zu Rückfällen kommen könnte. Man macht daher Entscheidungen über die Intensität der Therapie u.a. davon abhängig, ob die verschiedenen Bilder, die im Rahmen der Ausbreitungsdiagnostik gemacht werden, verdächtige Lymphknoten zeigen. Das ist nicht trivial, da wir in der Bildinterpretation noch immer auf Kriterien angewiesen sind, die nicht vollständig sicher sind. Wenn wir die Lage zu schlecht einschätzen, werden Patienten aggressiv behandelt, die das nicht gebraucht hätten. Unterschätzen wir aber tatsächlich befallene Lymphknoten als nicht befallen, erhalten Patienten eine Behandlung nicht, die ihnen genützt hätte. Die Verantwortung ist also groß. In der Diagnostik gelten daher hohe Standards: wir versuchen immer, mit zwei unterschiedlichen Verfahren eine möglichst plausible Aussage über einen etwaigen Lymphknotenbefall zu bekommen – meist per Computertomographie oder Kernspintomographie einerseits und durch endoskopischen Ultraschall andererseits. Wir besprechen in der Tumorkonferenz gemeinsam die Bilder und diskutieren über ihre Deutung, um möglichst viel Fachwissen zusammenzubringen. Wir vergleichen später die Beurteilungen des operativ gewonnenen Gewebes durch den Pathologen mit unseren Bilddeutungen.

Tief ins Gewebe eingedrungen oder nicht?

Rektumkarzinome entstehen in der Schleimhaut, meistens aus Polypen, die zunächst gutartig sind. Die Entartung führt in der Regel dazu, dass Krebsgewebsausläufer von innen nach außen in das umgebende Gewebe vordringen. Sie durchwachsen die umgebende Darmwand-Muskulatur, dann das umgebende Fettgewebe, schließlich können sie in benachbarte Organe einwachsen. Das verursacht nicht immer sofort Symptome und es lehrt auch die Erfahrung, dass Symptome nicht immer sofort richtig gedeutet werden. Wir sehen daher immer wieder Patienten, bei denen es zu einem Mitbefall von Blasenwand, Prostata, Scheidenbereich oder Bauchfell gekommen ist. Die Eindringtiefe kann meistens eindeutig bestimmt werden; die höchste diagnostische Sicherheit bietet moderner Ultraschall mit hoch auflösenden Sonden mit denen man gewissermaßen vom Darminneren aus die Wandschichten beurteilen kann (med. EUS =endoskopischer Ultraschall). Wird eine Überschreitung der Muskelschicht ins umgebende Gewebe festgestellt oder erst recht wenn ein Einwachsen in Nachbarstrukturen vorliegt, raten wir in aller Regel dazu, der Operation eine vorbereitende Therapie (med.: neoadjuvante Therapie) voranzustellen.

Lebermetastasen?

Wenn wir in den anfänglichen Ausbreitungsuntersuchungen feststellen, dass es zu Metastasen außerhalb des unmittelbaren Entstehungsbereiches des Tumors (sog. Fernmetastasen) gekommen ist, wird sehr wichtig, wie viele und vor allem wo diese Metastasen sind. Uns interessiert im Sinne des Patienten dann besonders, ob es sich möglicherweise um eine Situation handelt, in der außer in der Leber keine weiteren Metastasen erkennbar sind. Das hat erhebliche Konsequenzen: Wird nämlich beim Vorliegen von Fernmetastasen eine Heilung sehr schwierig, so kann man in den Fällen, in denen Metastasen nur in der Leber sitzen und man sie dort auch vollständig entfernen kann, eine recht gute Heilungsquote erreichen. Im Wesentlichen streuen auf Grund ihres anderen Blutabstroms nur die ganz tief sitzenden Enddarmkrebse auch in andere Organe. Dann wird das Behandlungskonzept sehr individuell, wobei auch in diesen Situationen eine Heilung unter Umständen nicht ausgeschlossen ist.

Drohender Darmverschluss?

Schwerste Verstopfung kann dasjenige Symptom sein, das Patienten mit Darmkrebs ins Krankenhaus führt. Die Polypen im Darminneren, ob Krebsvorstufe oder "maligne"entartet, können so groß sein, dass sie weitgehend den Darm verlegen. Ein Darmverschluss droht – unbehandelt eine tödliche Komplikation. Dazu darf es nicht kommen, es muss gehandelt werden – eigentlich würde man den tumortragenden Darmabschnitt sofort herausnehmen wollen. Häufig ist aber gleichzeitig eine Vorbehandlung vor der eigentlichen Krebsoperation angebracht, die ja eine Verschiebung der OP um rund drei Monate erfordern kann. Diesen Konflikt löst man am liebsten durch die Versorgung mit einem vorübergehenden künstlichen Darmausgang. Er wird in einer anderen Technik als ein lebenslang bestehender künstlicher Darmausgang angelegt und ist von vornherein darauf ausgerichtet, dass er wieder zurückverlegt wird. Mit Hilfe dieser Taktik schafft man es einerseits die Darmfunktion aufrecht zu erhalten und andererseits die für die Heilung erforderliche Vorbehandlung, zu der wir im nächsten Kapitel kommen, durchzuführen. Diese Strategie bedeutet eine hohe Chance auf Heilung, für die der Patient und die Behandler sich aber auf ungefähr 9 Monate Therapie einlassen müssen. Das fällt nicht allen leicht, lohnt sich aber.