Chirurgische Therapie
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Moderne OP-Techniken als Bestandteil moderner Konzepte
Heilung von Mastdarmkrebs ist weit mehr als das einfache Herausschneiden eines Tumors. In den letzten 25 Jahren haben neue Erkenntnisse, neue Techniken, neue Materialien, neue Medikamente und eine zuvor ungekannte komplexe Zusammenarbeit von Chirurgie, Strahlentherapie, Onkologie, Pathologie und Radiologie die Heilungsraten verbessert und dazu geführt, dass der Schließmuskel in der Regel erhalten werden kann.
Verbesserte Ergebnisse beruhen zum einen darauf, dass Medikamente und Bestrahlung einbezogen wurden, vor allem aber auf einer Vielzahl von Verbesserungen in der Chirurgie:
Die moderne Enddarmchirurgie mit ihren tiefen Darmverbindungen ist durch die Entwicklung von Klammernahtgeräten möglich geworden, mit denen Darmabschnitte viel sicherer wiederverbunden werden können, als mit Handnähten. Es gibt noch einen weiteren wesentlichen Unterschied zu früher: Wir operieren in anderen Gewebsschichten, blutarm, und minimalinvasiv mittels Schlüsselloch-Chirurgie, teils mit Roboter-Assistenzsystem. Dadurch steigt die Präzision, sinkt die Verletzung umgebenden Gewebes, und es beschleunigt sich die Erholung nach der OP.
Komplizierte Steuerung: Kontinenz
Für die Kontrolle über den Stuhlgang, auch Kontinenz genannt, ist das Zusammenspiel zwischen Enddarm und Schließmuskelapparat sehr wichtig. Der gesunde und junge Patient bemerkt rechtzeitig ob da „etwas“ kommt. Er kann zwischen festem, gasförmigem und flüssigem Inhalt unterscheiden – und auch sehr gezielt nur ein wenig Luft ablassen. Dafür sind nicht nur der Schließmuskel und seine Steuerung verantwortlich, sondern auch hochsensible Druckrezeptoren im Mastdarm oberhalb des Schließmuskels.
Hinzu kommen Nervenverbindungen, ohne die eine Steuerung willkürlicher Muskulatur nicht möglich ist. Wenn auf Grund des Krebses gerade dieser Teil des Mastdarmes entfernt werden muss oder Nerven durchtrennt werden, hat das Nachteile für die Kontinenz. Zwar versucht man, durch bestimmte operative Techniken (Anlage eines so genannten Pouches) auszugleichen, aber die Natur ist da deutlich besser als wir. Das fehlende „Gefühl“ des Enddarmes können wir nicht ersetzen.
Abstromgebiet entfernen, um Sicherheit zu maximieren
Grundsätzlich gelten dieselben Kriterien für die Operation am Enddarm wie am Dickdarm: Der Krebs muss mitsamt seinem Abstromgebiet entfernt werden, also mitsamt dem zugehörigen Gewebsstück, in das hinein er Tochtergeschwülste abgegeben haben könnte. Dazu gehören immer auch die Gewebsabschnitte, deren Blutversorgung untrennbar mit der des Krebses verbunden ist.
Im Albertinen-Krankenhaus legen wir Wert darauf, dass die zu- und abführenden Gefäße zentral abgesetzt werden (= nahe dem Blutgefäßursprung in Aorta oder Hohlvene), um zugleich das mögliche Tumorabstromgebiet möglichst vollständig entfernen zu können. Ein Dilemma ist, dass von diesen Blutgefäßen auch der über dem Enddarm liegende Dickdarmanteil versorgt wird. Wir müssen also für eine möglichst sichere Heilung eine ganze Menge Darm entfernen, aber wir halten dies für zwingend notwendig.
Darmnaht, Durchblutung und Gasdruck
Entfernt man einen Darmabschnitt, muss eine Verbindung hergestellt werden zwischen dem Darmanteil vor und dem hinter dem krankhaft veränderten. Für die Sicherheit dieser Darmverbindung ist die Durchblutung des Darmes das A und O. Weil der verbleibende Enddarm mit den Strukturen des Beckens fest verbunden ist, muss der anzuschließende Darm von oben herangezogen werden – „mobilisiert“. Eigentlich ist das von der Natur so nicht vorgesehen, so dass besonders darauf geachtet werden muss, dass die Durchblutung ausreicht.
Hinzu kommt, dass die Durchblutung der letzten Zentimeter des Mastdarmes schon normalerweise schwächer ist als darüber. Eine dort angelegte Darmverbindung ist deshalb in der Heilung von beiden Seiten sehr empfindlich. Erschwerend kommt dazu, dass der Schließmuskel als Bollwerk mit hohem Widerstand für den Darminhalt wirken muss. Dies führt insbesondere bei den Darmgasen zu einem enormen Druck, den auch die korrekteste Darmnaht nicht immer aushält.
Künstlicher Ausgang zum Schutz: vorübergehend „protektives Stoma“
Als Ausweg aus diesem Dilemma hat sich in den letzten 20 Jahren die Anlage eines diese Verbindung schützenden, vorübergehend angelegten Darmausganges entwickelt. So kann in Ruhe die Darmverbindung heilen und sich eine haltbare Narbe bilden, bevor die Klammernahtreihe durch hohe Gasdrucke belastet wird. Falls dann doch trotz Ruhigstellung eine Nahtundichtigkeit auftritt, kann diese heute sehr elegant mit einem Saugschwamm austherapiert werden.
Schlüsselloch-Chirurgie
Der nächste Entwicklungsschritt war die Durchführung auch dieser Operation in der Schlüssellochtechnik. Es wurde bewiesen, dass ihre Heilungsraten vergleichbar zur OP am offenen Bauch sind, dass aber alle Vorteile der minimalinvasiven OP-Technik zusätzlich zum Tragen kommen:
Der Patient braucht in der Regel keine Bluttransfusion und macht nach Möglichkeit schon auf Station seine ersten Schritte. Zügiger Kostaufbau und Entlassung am fünften bis zehnten Tag sprechen eine deutliche Sprache. Es gelingt beim minimalinvasiven Vorgehen auch wesentlich besser, die Nerven zu schonen, die für die Funktion von Harnblase, Darm und die Sexualorgane wichtig sind.
Roboter-OP
Seit März 2018 steht uns im Albertinen Krankenhaus ein Roboter-Assistenzsystem (DaVinci X) zur Verfügung, welches wir für verschiedene Operationen einsetzen. Hierbei handelt es sich nicht um einen eigenständig operierenden Roboter, sondern um ein Operationssystem, welches vom Chirurgen aus einer Konsole heraus gesteuert wird. Dieses System bietet neben den generellen Vorteilen der minimalinvasiven Chirurgie eine räumliche (3D), vergrößerte, hochauflösende (Ultra-HD) Bilddarstellung sowie eine untersetzte, vollkommen zitterfreie Bedienung der Instrumente. Hierdurch wird ein hochpräzises Präparieren auch in schwer zugänglichen Körperregionen ermöglicht.
Ob das DaVinci-Operationssystem zum Einsatz kommt, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Gesichtspunkten, eine Zuzahlung seitens der Patienten für dieses Verfahren ist weder notwendig noch möglich.
Bleibender künstlicher Darmausgang (Anus Präter)
Zu den Tatsachen gehört auch, dass nach wie vor ein sehr kleiner Teil der Betroffenen an einem so ungünstig gelegenen Krebs erkrankt, dass eine Heilung unter Erhalt der Schließmuskelfunktion nicht zu erreichen ist. Das kann sein, wenn der Schließmuskel selbst vom Krebs schon mitbetroffen ist und entfernt werden muss. Hier wird die Versorgung mit einem permanenten künstlichen Darmausgang zur Voraussetzung für eine Heilung vom Krebs.
Für Menschen, die damit noch nie zu tun hatten, erscheint manchmal schwer zu glauben, dass eine ordentliche Lebensqualität mit einem künstlichen Ausgang die Regel und nicht die Ausnahme ist. Wichtig zu wissen: Es gibt Patienten, die zunächst versucht hatten, mit einem schlecht funktionierenden Schließmuskel trotzdem zurechtzukommen, sich dann aber für einen permanenten Anus Präter entschieden. Sie haben also den Vergleich direkt erlebt. Die allermeisten bevorzugen den künstlichen Ausgang.