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Zehn Jahre Palliativeinheit im Albertinen Krankenhaus
Die onkologische Palliativeinheit im Albertinen Krankenhaus in Hamburg-Schnelsen wird in diesen Tagen zehn Jahre alt. Seit 2011 wurden hier über 1.000 Patientinnen und Patienten mit einer bösartigen, unheilbaren Erkrankung behandelt.
Ziel der Behandlung auf der Palliativeinheit ist es, die Patientinnen und Patienten so weit in ihren Symptomen zu erleichtern, dass eine Weiterbehandlung zu Hause oder in einer anderen Einrichtung wie etwa einem Hospiz möglich wird. Hierzu steht ein spezialisiertes, multiprofessionelles Team zur Verfügung.
„Viele unserer Patientinnen und Patienten leiden schon seit Jahren an einer Krebserkrankung und sind nun an einem Punkt angekommen, an dem keine Therapieoption mehr besteht, um das Fortschreiten der Erkrankung weiter hinauszuzögern“, erklärt Anne Mruk-Kahl, Ärztliche Leiterin der Palliativeinheit. „In dieser Situation der Hilflosigkeit möchten wir für die verbleibende Lebenszeit eine Perspektive aufzeigen und das jetzt Wichtige in den Mittelpunkt stellen; medizinisch und weit darüber hinaus“, so die Fachärztin für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin. Die Palliativeinheit ist Teil der Klinik für Innere Medizin, die von Chefarzt Prof. Dr. Guntram Lock geleitet wird. 2011 hatten der damalige leitende Oberarzt der Klinik, Dr. Joachim Guntau, und der damalige Albertinen-Vorstand Pastor Dr. Stefan Stiegler die Etablierung der onkologischen Palliativeinheit im Albertinen Krankenhaus maßgeblich vorbereitet.
Multiprofessionelles Team ermöglicht ganzheitliche Behandlung
Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg der Palliativeinheit, der sich nicht mehr an Heilungschancen, sondern an der verbleibenden Lebensqualität bemisst, bildet ein speziell ausgebildetes multiprofessionelles Team, das neben Medizin und Pflege auch die Professionen Psychoonkologie, Physiotherapie und physikalische Therapie, Seelsorge und Sozialdienst umfasst. Hinzu kommt noch eine Musiktherapeutin. „Der Zustand der Patientinnen und Patienten bedarf sowohl in medizinischer wie auch psychosozialer Hinsicht einer komplexen Therapie, die nur in einem solchen Team umsetzbar ist“, so Mruk-Kahl. „Nicht bei allen Patientinnen und Patienten erfüllt sich unser Wunsch, sie nach Hause oder in die Nachversorgung entlassen zu können. Dann ermöglichen wir eine würdevolle, offene und ehrliche Begleitung der Sterbenden sowie der Angehörigen durch unser Team.“
Auch Ina Klindworth, die als Pflegekraft die Teamleitung auf der sechs Betten umfassenden Palliativeinheit innehat, hebt die Bedeutung des Teams für die Arbeit hervor: „Wir stimmen uns im Team eng ab, um unseren Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten. Dabei geht es nicht um Heilung, sondern darum, Leiden zu lindern und die Betroffenen aufzufangen. Wir können noch so viel tun!“
Hilfe mit Kopf, Hand und Herz
Patientinnen und Patienten profitieren nicht allein von der großen Erfahrung bei der Medikation und insbesondere der Schmerztherapie bei Tumorleiden. Erleichterungen verschaffen auch bestimmte Wärme- und Kältetherapien sowie Bewegungs- und Atemtherapien. Julia Bartels, Physiotherapeutin: „Patientinnen und Patienten freuen sich, wenn durch die Therapie Bewegung wieder möglich wird – auch wenn vielleicht nur im kleinen Rahmen“. Empathie erachtet sie unbedingt als behandlungsrelevant, und dazu bedarf es nicht immer der Worte: „Manchmal tut es meinem Gegenüber gut, wenn ich einfach nur zuhöre“.
Dr. Wiebke Kluth, als Psychoonkologin auch auf der Palliativeinheit tätig, erlebt, dass Patientinnen und Patienten oftmals trotz anfänglicher Skepsis erleichtert sind, auf einer Palliativstation versorgt zu werden: „Sie fühlen sich in der Obhut des Teams gut aufgehoben und erleben, dass wir uns wirklich Zeit nehmen, um mit ihnen intensiv ins Gespräch zu kommen“. Manche Patientinnen und Patienten nähmen eher das Gesprächsangebot der Psychoonkologin in Anspruch, andere das der Seelsorgerin, wiederum andere auch beides. Seelsorgerin Pastorin Karin Pusch: „Nicht nur der Körper ist von der Krankheit betroffen, sondern der gesamte Mensch mit Körper und Seele. Das seelsorgerliche Gespräch kann einen Menschen entlasten und Halt bieten. Es ermöglicht, dass ein Mensch wieder bei sich selbst ankommen kann. Religiosität und Spiritualität sind dabei nur für einzelne Patienten ein Thema. Andere Patienten sprechen eher über ihr Leben oder über die Beziehung zu ihrer Familie. Seelsorge kann daher von allen Menschen genutzt werden.“
Trauungen, ein letztes Musical und späte Versöhnungen
Wichtig ist die Organisation der Versorgung nach dem Klinikaufenthalt gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten und/oder Angehörigen. „Nicht selten kann der Wunsch, noch einmal nach Hause zurückzukehren, mit Hilfe der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung in Erfüllung gehen“, sagt Ira Kuhn, die sich seitens des Sozialdienstes um die Palliativeinheit kümmert. Alternativ wird die Aufnahme in ein Pflegeheim oder ein Hospiz vom Sozialdienst organisiert. Und auch Außergewöhnliches wird möglich gemacht: Eindrucksvoll beispielsweise die Ausrichtung einer Trauung auf Station, die auch das Team als sehr beglückend empfunden hat. Mit Hilfe des „Wünschewagens“ des Arbeiter Samariter Bundes können manchmal der Wunsch eines letzten Besuchs an der Ostsee oder eines Musicals erfüllt werden. Durch die Pandemie ist allerdings vieles schwieriger geworden. „Corona stellt uns vor große Herausforderungen, aber was trotzdem möglich ist, wird auch gemacht“, betont Pflegerin Klindworth.
Eher selten kommt es am Ende des Lebens zu Versöhnungen und der Beilegung langjähriger familiärer Konflikte. „Eine Palliativeinheit ist nicht Hollywood“, stellt Psychoonkologin Kluth klar. Teilweise jahrzehntelange Konflikte ließen sich meistens nicht kurzfristig auflösen, auch wenn das Lebensende absehbar sei – Ausnahmen bestätigten aber die Regel. Häufiger gelänge es, Menschen zusammenzuführen, die sich aus den Augen verloren, aber nie vergessen hatten.
Selbstfürsorge im Team
Die Arbeit auf einer Palliativstation kann belastend sein angesichts der Versorgung von Menschen, die sich auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens befinden. „Das gilt vor allem dann, wenn es relativ junge Menschen sind, die zu uns kommen“, sagt Ärztin Mruk-Kahl. Eine wesentliche Stütze bilde das Team, in dem gegenseitig darauf geachtet werde, dass niemand allzu beschwert nach Hause gehe. Regelmäßige Besprechungen, Supervision, Angebote der Seelsorge und ein jährlicher Erinnerungsabend geben Halt auch in schwierigen Situationen. „Und trotzdem nimmt man manche Dinge mit nach Hause“, weiß Ina Klindworth, die bereits seit zehn Jahren in der Palliativeinheit arbeitet und ihren Platz hier sieht. Auch ihre Kolleginnen und Kollegen haben in der Versorgung und Betreuung von Palliativpatientinnen und –patienten ihre berufliche Erfüllung gefunden. „Ich freue mich, Teil dieses Teams sein zu können und bin ein Fan unserer Arbeit“, sagt Sozialarbeiterin Ira Kuhn. Und Physiotherapeutin Julia Bartels ergänzt: „Ich liebe meine Arbeit und freue mich darüber, wenn unser aller Tun den Patientinnen und Patienten ein Stück Lebensqualität zurückbringt – auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit ist.“
Christian Rilz, Geschäftsführer im Albertinen Krankenhaus: „Das multiprofessionelle Team der onkologischen Palliativeinheit macht eine großartige Arbeit, von der Patientinnen und Patienten am Ende ihres Lebens sehr profitieren. Ich möchte meinen Glückwunsch zum zehnjährigen Bestehen der Palliativeinheit verbinden mit einem ganz herzlichen Dankeschön an das Team für die hohe Kompetenz und das große Engagement, mit der die uns anvertrauten Patientinnen und Patienten in der Palliativeinheit versorgt werden!“