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Weltkopfschmerztag: Den Kopfschmerzcharakter genau analysieren
Kopfschmerzen sind weit verbreitet und unterschiedlich stark ausgeprägt. Nicht selten entwickeln sich chronische Verläufe. Dr. Becker und Dr. Wellach vom Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus über Ursachen, Diagnose und Therapieformen.
Mit einem Brummschädel bei einer Erkältung oder nach einer langen Nacht sind die meisten Menschen schon aufgewacht. Kopfschmerzen können aber auch ohne erkennbare Ursache und wiederkehrend auftreten, etwa bei Migräne. Warum manche Kopfschmerzen harmlos sind und andere auf gravierende Erkrankungen hindeuten, erklären Dr. med. Dirk Becker und Dr. med. Ingmar Wellach zum Weltkopfschmerztag. Die beiden Mediziner sind leitende Ärzte der Fachabteilung Neurologie des Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhauses in Hamburg-Volksdorf und Experten in der Diagnose und Behandlung von Kopfschmerzen.
1. Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden – schätzungsweise 70 Prozent der Erwachsenen sind davon mindestens einmal im Jahr betroffen. Welche sind die häufigsten Kopfschmerzen?
Antwort: Man muss dringend unterscheiden zwischen sporadischen Kopfschmerzen, die bei vielen Erkrankungen als Begleitphänomen auftreten und nicht Ausdruck einer neurologischen Störung oder Erkrankung sein müssen (sogar bei einer Sars-CoV2-Infektion sind Kopfschmerzen sehr häufig anzutreffen) und symptomatischen Kopfschmerzen im Rahmen einer akuten neurologischen Erkrankung, die sehr ernsthaft sein kann, z.B. im Rahmen einer Hirnhautentzündung (Meningitis) oder einer Hirnblutung. Darüber hinaus gibt es sogenannte primäre Kopfschmerzerkrankungen, in deren Rahmen wiederkehrend ganz typische Kopfschmerzformen auftreten. Viele dieser Erkrankungen können durch eine sehr genaue Analyse des Schmerzcharakters und der Begleitumstände gut eingeordnet und diagnostiziert werden. Diese Kopfschmerzformen sind sehr beeinträchtigend, aber in der Regel nicht bedrohlich. Zu diesen Kopfschmerzen zählt, z.B. auch der Spannungskopfschmerz, der zu den häufigsten primären Kopfschmerzerkrankungen gehört. Aber auch die Migräne ist sehr häufig, insbesondere bei Frauen.
2. Was ist der Unterschied zwischen Kopfschmerz und Migräne?
Antwort: Der gewöhnliche Kopfschmerz, der oft ohne bestimmten Grund oder im Rahmen einer banalen Infektionserkrankung auftritt, ist meist ein Kopfschmerz, der im Stirn- oder Scheitelbereich durch die Patientinnen und Patienten lokalisiert wird und keine typischen prägnanten Begleitphänomene hat. Bei der klassischen Migräne handelt es sich hingegen um einen meist einseitigen, oft aber wechselseitig lokalisierten Stirn- und Schläfenkopfschmerz mit dumpf-drückendem Schmerzcharakter. Typische Begleitphänomene sind Licht- und Lärmempfindlichkeit mit Ruhebedürfnis und Übelkeit mit Erbrechen. Sehr oft gehen den Kopfschmerzen typische Augensymptome wie, z.B. ein Flimmern, Gesichtsfeldeinschränkungen oder ungewöhnliche Seheindrücke voraus. Dazu zählt auch das Sehen von bunten oder glitzernden Zacken, der sogenannten „visuelle Aura“. Die Symptomabfolge der typischen Migräneattacke ist immer sehr gleichförmig wiederkehrend, kann sich aber im Laufe des Lebens auch verändern. Unbehandelt kann eine solche Migräneattacke Stunden bis zu einigen Tage anhalten.
3. Mit welchen Verhaltensweisen kann man Kopfschmerzen und Migräne vorbeugen?
Antwort: Wenn es sich um banale Kopfschmerzen handelt, kann man im Vorfeld wenig tun um diese Beschwerden zu vermeiden, außer vielleicht für genügend Schlaf zu sorgen bzw. Alkohol oder andere Auslöser zu vermeiden. Meist kommen diese Kopfschmerzen aber ohne Vorboten, sodass man nur reagieren kann. Im Falle einer Migräne kann man schon einiges tun, um einer Attacke vorzubeugen. Oft treten Migräneattacken stressbedingt auf. Da man diese Belastungen oft nicht aus dem Wege gehen kann, sollte man sich zumindest um ein ausreichendes Schlafverhalten (regulierter Schlaf-wach-Rhythmus), einen geregelten, strukturierten Tagesablauf und eine regelmäßige möglichst gesunde Nahrungsaufnahme bemühen. Für viele Patientinnen und Patienten hilft Ausdauersport vorbeugend. Andere Auslöser können sehr individuell sein. Diese Auslöser sind meist den Betroffenen bekannt und sollten dementsprechend vermieden werden. Zudem gibt es bestimmte Medikamente die bei häufigen oder sehr schweren Migräneattacken zur Vorbeugung eingenommen werden können. Dies sollte jedoch hinsichtlich Indikation und möglichen Nebenwirkungen bzw. Gegenanzeigen individuell mit dem behandelnden Arzt, am besten einem Neurologen, abgestimmt und verordnet werden.
4. Wann sind Kopfschmerzen harmlos und wie kann man harmlose von gefährlichen Kopfschmerzen unterscheiden?
Antwort: Die Unterscheidung zwischen den hier eingangs genannten harmlosen oder gewöhnlichen Kopfschmerzen, einem primären Kopfschmerz wie, z.B. die Migräne und einem gefährlichen Kopfschmerz ist unter Umständen gar nicht ganz einfach und kann selbst für einem erfahrenen Neurologen eine Herausforderung sein. Meist kennen die Patientinnen und Patienten ihren „gewöhnlichen“ Kopfschmerz oder „typische“ Migräneattacke. Man sollte immer sehr wachsam sein, wenn sich die Betroffenen besorgt zeigen, sich der Kopfschmerzcharakter verändert hat, besonders plötzlich und heftig aufgetreten ist, oder sich ungewöhnliche Begleitphänomene zeigen. Ein absolutes Warnsymptom ist ein schlagartiger sich „vernichtend“ anfühlender Kopfschmerz, oder Kopfschmerzen im Zusammenhang mit Fieber und schwerem Krankheitsgefühl.
Grundsätzlich sollten alle Patientinnen und Patienten mit dieser Fragestellung gründlich allgemeininternistisch und vor allem aber neurologisch untersucht werden. Hier deuten dann Auffälligkeiten im Befund, wie Nackensteifheit oder neurologische Ausfälle, auf einen gefährlichen symptomatischen Kopfschmerz hin. In solchen Situationen muss umgehend eine weitere Abklärung unter stationären Bedingungen erfolgen.
Ein wichtigerer und nicht außer Acht zu lassender Aspekt ist, dass auch langjährige Migräne-Patientinnen und -Patienten zusätzlich einen gefährlichen symptomatischen Kopfschmerz erleiden können. Man sollte immer wachsam sein und die Patienten genau befragen, ob sich der Kopfschmerzcharakter verändert hat oder ungewöhnliche Begleitphänomene aufgetreten sind. Auch hier müssen die Patienten gründlich auf Zeichen einer akuten Hirnerkrankung untersucht und abgeklärt werden.
5. Wie erfolgt die Diagnose und welche Therapiemöglichkeiten gibt es derzeit?
Antwort: Die Diagnose einer primären Kopfschmerzerkrankung wie der Migräne, dem Spannungskopfschmerz oder auch anderen Kopfschmerz-Syndromen stellt eine „Ausschlussdiagnostik“ dar. Das heißt, mögliche symptomatische Kopfschmerzformen müssen ausgeschlossen werden. Zudem basiert – wie bereits genannt – die Diagnose auf einer genauen Analyse der Kopfschmerzbeschwerden, der Umstände des Auftretens und der Begleitphänomene. Oft helfen auch zusätzliche Informationen, wie weitere Betroffene im familiären Umfeld und der Verlauf der Symptome. Wenn es sich um eine typische Krankengeschichte (Anamnese) handelt und durch entsprechende Untersuchungen (Labor, bildgebende Verfahren oder selten auch Entnahme von Nervenwasser) eine symptomatische Kopfschmerzursache ausgeschlossen werden konnte, dann kann in der Regel eine sehr genaue und verlässliche Diagnose gestellt und die Behandlung eingeleitet werden.
Für eine effektive und verträgliche Behandlung stehen heute – je nach Kopfschmerzform – eine Vielzahl von Medikamenten und Therapieverfahren zur Verfügung. Bei der Migräne kann man die Attacken behandeln und ggf. eine vorbeugende Therapie einleiten. Die Therapie der Attacken sollte eng mit dem Neurologen abgestimmt und der Verlauf regelmäßig im Rahmen der Sprechstunde von diesem überprüft werden. Dazu ist das Führen eines Kopfschmerzkalenders außerordentlich hilfreich.
Weitere Informationen:
Fachabteilung Neurologie im Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus